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Kurt Schmoll, Fachbereichsleiter der Seniorenhilfe, berichtet über eine prekäre Situation der Altenpflege.
Kurt Schmoll, Fachbereichsleiter der Seniorenhilfe, berichtet über eine prekäre Situation der Altenpflege.

Mitgliederversammlung 2019 – Bericht aus dem Fachbereich Seniorenhilfe

Über die „sehr prekäre Situation“ der Seniorenhilfe berichtete Kurt Schmoll, der zuständige Fachbereichsleiter beim Diakonischen Werk Traunstein in der Mitgliederversammlung im Wilhelm-Löhe-Zentrum Traunreut (wir berichteten). Dabei ist die Problematik zweifach: Zum einen seien die von den Kostenträgern gewährten Sätze in der ambulanten Pflege nicht kostendeckend, und zum zweiten sei es kaum mehr möglich, ausreichend Personal zu bekommen.
„Wir haben“, so schilderte Schmoll die Ausgangssituation, „vom Gesetzgeber und von den Kostenträgern her den Auftrag, „die Menschen in unseren Heimen jeden Tag zu versorgen. Und ich kann auch an Feiertagen nicht zusperren. Dabei fehlt es an Personal. Aufgrund des neuen Pflegepersonalstärkungsgesetzes wird für den stationären Bereich zusätzliches Personal finanziert. Für das Diakonische Werk bedeute dies eineinhalb zusätzliche Planstellen im Seniorenheim Wartberghöhe und eine weitere Planstelle im Chiemgau-Stift in Inzell, sofern dafür aufgrund des Fachkräftemangels überhaupt Personal gewonnen werden kann. Zudem werde überhaupt nicht bedacht, dass in den Heimen kontinuierlich Behandlungspflege geleistet werde, die nicht gesondert erstattet wird. Nach Schmolls Berechnungen belaufen sich diese Leistungen pro Jahr auf eine halbe Million Euro. „Hier muss noch nachgearbeitet werden“, unterstrich der Fachbereichsleiter Seniorenhilfe die aus seiner Sicht untragbare Situation; weitere Verhandlungen seien dringend nötig.
Noch schlimmer als in den Heimen sei aber die Situation in der ambulanten Pflege. Nach Schmolls Einschätzung werden viele ambulante Pflegedienste „wohl bald zusperren“ müssen: „Es kann für diesen Bereich am Arbeitsmarkt nicht ausreichend Personal akquiriert werden und für die erbrachte Leistung gibt es keine ausreichende Finanzierung.“ Zudem müsse in der ambulanten Pflege an 365 Tagen im Jahr eine Rufbereitschaft vorgehalten werden, wofür es jedoch kein Geld gibt. „Hier verweigert der Kostenträger eine kostendeckende Finanzierung.“
Neue Mitarbeiter zu finden, werde immer noch schwieriger. Dies sei auch der Situation geschuldet, dass es heutzutage mehr Studenten gebe als Auszubildende. Die Anwerbung von Personal sei sehr schwierig für die Seniorenhilfe, ganz ähnlich der Situation im Handwerk. Wenn die Forderung „ambulant vor stationär“ ernst genommen werden solle, müsse ganz schnell etwas passieren: Das hoffe und wünsche er. In der aktuellen Situation müsse gezwungenermaßen immer wieder auf Honorarkräfte oder Leihfirmen zurückgegriffen werden: Das komme aber „wahnsinnig teuer“. Zudem bringe dies immer lange Einarbeitungszeiten mit sich, für die wiederum vorhandenes Personal abgestellt werden muss. Zusätzlich müsse die Einarbeitung detailliert nachgewiesen werden, das erfordere das Haftungsrecht.
Die Alternative, Personal aus dem Ausland zu holen, ist nach Schmolls Erfahrungen problematisch, weil in Deutschland „ein ewig langes Prozedere“ notwendig sei, bis die Arbeitserlaubnis erteilt werde, teilweise bis zu einem Jahr. In anderen Ländern, vor allem in Skandinavien, gehe dies viel schneller; darum seien diese für ausländische Pflegekräfte viel attraktiver. Kritik äußerte Schmoll auch an der künftigen gemeinsamen Ausbildung von Kranken- und Altenpflegern. Dies sei, so seine Einschätzung, „vor allem ein Personalbeschaffungsprogramm für die Krankenhäuser“. Auch die neuen Qualitäts-Prüflinien in den Heimen verursachten viel Mehrarbeit und seien zum jetzigen Zeitpunkt noch ein „riesiges Chaos“.
Zum Schluss hob Schmoll noch die positive Wirkung des Projekts „Zeit für die Seele“ in den Seniorenheimen der Diakonie hervor. Dank jährlicher Zuwendungen durch die Dieter-und-Edith-Seidel-Stiftung in Höhe von 50 000 Euro konnte sowohl in Inzell wie auch in Traunstein jeweils eine zusätzliche Halbkraft eingestellt werden: in Traunstein für die Betreuung neu ankommender Bewohner, in Inzell für das gemeinsame Kochen zusammen mit den Bewohnern im Wohnbereich. Beide Häuser seien gut belegt, es gebe Wartelisten. Sogar beim ambulanten Pflegedienst müssen manche Anfragen negativ beschieden werden, was sehr bedauerlich sei und auch bei den betroffenen Familien gar nicht gut ankomme. Aber man stoße von der Personalsituation her einfach an Grenzen.
Dekan Peter Bertram, der Vorsitzende des Kuratoriums des Diakonischen Werks bezeichnete Schmolls Bericht als „sehr eindrücklich“. Zugleich befürchte er, dass es hier „irgendwann zum Knall kommen wird.“ Umso mehr wünsche er sich eine Perspektive, wie eine für die Zukunft zufriedenstellende Lösung gelingen könne.

Autor: Hans Eder

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