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Sich austauschen und neu Kraft schöpfen für den Pflegealltag. Von links: Kurt Schmoll (Fachbereichsleitung Pflege), Renate Backhaus (Fachreferentin Diakonie Bayern), Sandra Schuhmann (Vorstand Diakonie Bayern), Marco Garhut (Wohnbereichsleitung), Beate Hamm (Pflegedienstleitung Chiemgau-Stift Inzell), Kerstin Niemietz (Pflegedienstleitung Seniorenzentrum Wartberghöhe), Lydia König (Wohnbereichsleitung), Margarete Reibnegger (soziale Betreuung), Ingrid Thaler (Hauswirtschaftsleitung Chiemgau-Stift Inzell), Ruth Lehmann (Hauswirtschaftsleitung Seniorenzentrum Wartberghöhe)
Sich austauschen und neu Kraft schöpfen für den Pflegealltag. Von links: Kurt Schmoll (Fachbereichsleitung Pflege), Renate Backhaus (Fachreferentin Diakonie Bayern), Sandra Schuhmann (Vorstand Diakonie Bayern), Marco Garhut (Wohnbereichsleitung), Beate Hamm (Pflegedienstleitung Chiemgau-Stift Inzell), Kerstin Niemietz (Pflegedienstleitung Seniorenzentrum Wartberghöhe), Lydia König (Wohnbereichsleitung), Margarete Reibnegger (soziale Betreuung), Ingrid Thaler (Hauswirtschaftsleitung Chiemgau-Stift Inzell), Ruth Lehmann (Hauswirtschaftsleitung Seniorenzentrum Wartberghöhe)

Ergebnisse zählen, damit Pflege gelingt – Pflegefachkräfte der Diakonie im Dialog

Gute Lösungen für eine zunehmend alternde Bevölkerung zu finden, ist die gesellschaftliche Herausforderung der nächsten Jahre. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Pflege. Die Zeit drängt, und das Einzige, was zählt, sind handfeste Ergebnisse. Das verdeutlichte das Fachgespräch der Pflegekräfte der Traunsteiner Diakonie mit hochrangigen Vertretern des Dachverbands Diakonie Bayern.

Unsere Gesellschaft altert. Bis 2036 sollen zu den bisher 240.000 demenzkranken Menschen weitere 100.000 hinzukommen. Das geht aus dem neuen Gesundheitsreport des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hervor. Pflegende Angehörige leisten viel. Es wäre jedoch ein absoluter Irrglaube zu erwarten, ausgerechnet sie könnten die Situation retten. Bereits jetzt leisten professionelle ambulante und stationäre Pflegekräfte den Löwenanteil, Tendenz steigend. Aus dieser Erkenntnis leiten sich unmittelbare Forderungen und zu klärende Fragen ab: Für die Pflege muss mehr Geld in Form von öffentlichen Mitteln investiert werden. Pflege muss von unnötigem bürokratischem und administrativem Ballast befreit werden. Ein „Weiter so“ käme dem Vorhaben gleich, mit einem Fahrzeug mit Vollgas gegen eine Wand zu fahren. Noch völlig ungeklärt ist, wer in Zukunft die Pflege all dieser Menschen sicherstellen soll, wo doch der Pflegekräfte-Arbeitsmarkt schon jetzt wie leergefegt ist.

Der Wille zum Handeln ist in allen Bereichen spürbar, verdeutlichte das Fachgespräch im Chiemgau-Stift Inzell. Die Politik versucht mit gesetzlichen Veränderungen bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Verbände wie die Diakonie Bayern bringen sich dabei mit ihrer Expertenmeinung ein, beraten und unterstützen in Gremien und bei politischen Entscheidungsprozessen. Träger wie das Diakonische Werk Traunstein und die Diakonie Service & Pflege gGmbH leisten die ambulante und stationäre Pflege vor Ort. Eine Einrichtung, die das mustergültig umsetzt, ist das Chiemgau-Stift Inzell, davon ist deren Leiter und Geschäftsführer der Diakonie Service & Pflege gGmbH, Kurt Schmoll, überzeugt.

Stolz zeigt Bewohner Peter Fischer den Gästen sein Appartement. Von links: Sandra Schuhmann, Peter Fischer, Beate Hamm, Renate Backhaus
Stolz zeigt Bewohner Peter Fischer den Gästen sein Appartement. Von links: Sandra Schuhmann, Peter Fischer, Beate Hamm, Renate Backhaus

Bei dem Rundgang mit Sandra Schuhmann, Fachvorstand im Diakonischen Werk Bayern und Fachreferentin Renate Backhaus, erläuterte Pflegedienstleiterin Beate Hamm das Konzept der Einrichtung. „Wir leben das Wohngruppenkonzept sehr konsequent“, unterstreicht Hamm. Ziel ist es, den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Zuhause zu schaffen. Das erfordere jedoch von allen Mitarbeitenden viel Kreativität. Der Anspruch, die Bewohner mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu stellen, sei nur durch eine gelingende Teamleistung zu realisieren. „Alle helfen mit. Die Pflegekraft räumt auch einmal das Geschirr in die Spülmaschine und die Hauswirtschaftskraft übernimmt bei Bedarf einfache Pflegehelfertätigkeiten.“ So orientiere man sich in der Organisation der Abläufe an den Bewohnern, nicht umgekehrt. In allen Wohnküchen duftet es bereits nach leckerem Essen. Auch das gehört zum Konzept: Es wird in den Gruppen gekocht, die Bewohner werden in diese Abläufe je nach Wunsch und Möglichkeit mit einbezogen oder sitzen einfach nur dabei. Doch in diesem Umfang ist das nur dank einer großzügigen Spende der Dieter und Edith Seidel Stiftung möglich.

Sandra Schuhmann und Renate Backhaus sind beeindruckt. Vor allem loben sie die Atmosphäre. „Man hat gar nicht das Gefühl, in einer stationären Pflegeeinrichtung zu sein“, sagt Schuhmann. Das sei ihr schon beim Betreten des Chiemgau-Stifts aufgefallen. Dafür wirke es, als ob sich die Bewohner hier wirklich wohlfühlten. „Beim Rundgang habe ich mich gefragt, wie viele der Bewohner wohl sehr einsam wären, wenn sie alleine zu Hause zurechtkommen müssten und der Pflegedienst dreimal am Tag für ein paar Minuten vorbeischaut.“

Das anschließende Fachgespräch zeigt jedoch auf, unter welchem hohen Druck die Fachkräfte vor Ort täglich neu alles Menschenmögliche versuchen, eine gute und professionelle Pflege zu leisten. Zusätzlich dazu müssen sie noch weitere, teils erhebliche Barrieren überwinden müssen. Hierzu gehören intensive Abwerbeversuche von Personal seitens einiger Mitbewerber, höher bezahlte Pflegekräfte im benachbarten Österreich, penible Dokumentationspflichten, die Zeit für die Bewohner abziehen, fragwürdige Prüfungen, in denen es um Einsparungen von Kosten zu gehen scheint und die den Bedürfnissen der Bewohner nicht gerecht werden, fehlende gesellschaftliche Anerkennung der herausragenden Leistungen des Pflegebereichs, und, und, und. Die Liste will kein Ende nehmen. Wie skurril Prüfungen manchmal verlaufen und wie fassungslos sie die Fachkräfte hinterlassen können, schilderte Beate Hamm anhand eines konkreten Falls. So wurde für einen schwer demenzkranken Bewohner der höchste Pflegegrad beantragt, da dieser rund um die Uhr Hilfe und Betreuung braucht. Ein Kriterium neben vielen anderen ist dabei die Mobilität. Tatsächlich kann er sich zeitweise von seinem Pflegestuhl erheben und ein paar Meter gehen. Aufgrund seiner absoluten Orientierungslosigkeit besteht für ihn jedoch keine Möglichkeit, ohne fremde Hilfe die Toilette in seinem Appartement zu finden. Bewertet wurde jedoch, dass er sich noch selbstständig bewegen kann. Dass er in seiner Hilflosigkeit dafür in einem unbeobachteten Moment in die Ecke uriniert, da er die wenigen Meter in sein Badezimmer nicht findet, fand bei der Bewertung keine Berücksichtigung.

„Auf, auf, zum fröhlichen Jagen“, wurde in der Wohnküche der Gruppe Bauerngasse gesungen. Fachreferentin Renate Backhaus (Mitte) wurde spontan miteinbezogen
„Auf, auf, zum fröhlichen Jagen“, wurde in der Wohnküche der Gruppe Bauerngasse gesungen. Fachreferentin Renate Backhaus (Mitte) wurde spontan miteinbezogen

All diese Beispiele und Themen zeigen, dass eben nur greifbare Verbesserungen und Ergebnisse zählen. Keine einzige gesetzliche Änderung entlastet die Pflege, wenn vor Ort keine spürbare Verbesserung erkennbar ist. Manche Veränderungen wirken fast höhnisch. Beispielsweise der Hinweis, dass im Zuge des Pflegepersonalstärkungsgesetzes zusätzliche Stellen finanziert werden. Dabei suchen viele Häuser händeringend nach Fachpersonal und kämpfen seit Jahren darum, die geforderte Fachkraftquote verlässlich einzuhalten. Wie soll also zusätzliches Personal eingestellt werden, wenn es am Arbeitsmarkt gar nicht vorhanden ist?

Sandra Schuhmann und Renate Backhaus nahmen viele Anregungen für weitere Gespräche und Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen mit. Die Zeit drängt. Eine würdige Begleitung und Pflege der Menschen, die viele Jahre die Leistungsträger der Gesellschaft waren, sollte in unserem wohlhabenden Land doch möglich sein.

 

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