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Erfreut präsentieren die TAFF-Verantwortlichen die Urkunde des Bayerischen Integrationspreises. Von links: Robert Münderlein, Gabi Lifka, Joachim Wetzky, Franziska Stockerer.

Betreuung traumatisierter Flüchtlinge wichtiger denn je. Projekt TAFF der Diakonie erhielt Bayerischen Integrationspreis 2022

Seit fünf Jahren hilft das Projekt „TAFF – Therapeutische Angebote für Flüchtlinge“ der Diakonie in Mühldorf, und an weiteren neun Standorten in Bayern, traumatisierten Geflüchteten. Nun wurde es mit dem 2. Platz des Bayerischen Integrationspreises 2022 ausgezeichnet, der mit 1.500 Euro dotiert ist. „Das ist eine tolle Anerkennung für die geleistete Arbeit und gibt uns zugleich für die weitere Projektfinanzierung Sicherheit“, freut sich Diakon Robert Münderlein, Fachbereichsleiter Soziale Dienste beim Diakonischen Werk Traunstein.

TAFF hat sich zum Ziel gesetzt, die Versorgung von traumatisierten Geflüchteten zu verbessern. Dazu wurden bayernweit Kontakt- und Koordinierungsstellen etabliert, die Anlaufstellen für traumatisierte und psychisch erkrankte Geflüchtete sind. „Hier im Landkreis Mühldorf haben wir dazu Top-Voraussetzungen“, betont Gabi Lifka, verantwortliche Leiterin des TAFF-Projekts Mühldorf. Vor allem sei der politische Wille zum Handeln spürbar, dementsprechend positiv erleben Beteiligte die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Mühldorf und der Flüchtlings- und Integrationsberatung des Landkreises. Zudem gebe es ein starkes und tragfähiges Netzwerk von Unterstützern, wie die vorbildliche Versorgung durch Psychiater Richard Schmidmeier, das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ), die Beratungsstellen der Caritas und Diakonie, und viele mehr. Von diesen Stellen und von Ehrenamtlichen werden die betreffenden Personen an TAFF vermittelt. Am Anfang der Begleitung stehe eine Anamnese, aus der der individuelle und therapeutische Bedarf ermittelt wird.

In den ersten fünf Jahren Projektlaufzeit haben sich nach Aussage der Projektverantwortlichen Themen und Inhalte der therapeutischen Begleitung erkennbar verändert, von einer Akutversorgung hin zur psychiatrischen Versorgung. Viele Langzeitfolgen der Flucht werden erfahrungsgemäß erst zeitversetzt spürbar. Dabei seien die Bedingungen der Geflüchteten auch hier nicht leicht. Viele leben seit Jahren auf engem Raum mit anderen in einer Unterkunft, die kaum Privatsphäre zulässt. Sie sehnen sich nach attraktiven Zukunftsperspektiven, haben zur Umsetzung aber nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung. Trotz dieser Einschränkungen erleben sie erstmals seit Jahren einen sicheren Rahmen, weshalb sich einige erst jetzt trauen, sich an die Beratungsstelle zu wenden. In dieser Phase der beginnenden Entspannung stellen sich häufig quälende Erinnerungen ein. Plötzlich drängen belastende Erlebnisse von der Flucht wieder ins Bewusstsein. Oft handelt es sich dabei um Gewalterfahrungen oder Gräueltaten, die sich entweder gegen sie richteten oder deren unfreiwilliger Zeuge sie wurden. Eine besondere Belastung erfahren dabei Familien mit Kindern, denn auch sie konnten vor solchen Erlebnissen nicht bewahrt werden.

Um hier gut begleiten und helfen zu können, sind auch nicht-sprachliche Angebote bedeutsam. Therapeutischen Gruppen kommt hier eine außerordentlich wichtige Bedeutung zu, berichten die Mitarbeitenden des TAFF-Teams, das aus der Leiterin der Stelle, Sozialpädagogin Gabi Lifka, Psychologe Joachim Wetzky und seit Anfang Mai neu hinzugekommen Psychologin Franziska Stockerer besteht. „Körperbezogene Übungen sind intensiver und tiefergehender als Sprache“, sagt Wetzky. Als sehr effektiv habe sich beispielsweise die mit Unterstützung des örtlichen Alpenvereins angebotene, therapeutische Klettergruppe mit sechs Teilnehmern unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Nationalitäten erwiesen. Das Klettern biete eine gute Gelegenheit, Selbstwirksamkeit zu spüren und eine andere Perspektive einzunehmen. Zudem gehe es beim Klettern immer um gegenseitiges Vertrauen und um Überwindung der eigenen Ängste. Wie sonst wäre es möglich, sich in 16 Metern Höhe im Vertrauen darauf ins Seil fallen zu lassen, dass auf die sichernde Person Verlass ist. Wo dies gegeben ist, kann das Abseilen zum intensiven Glückserlebnis werden. „Alle, die dabei waren, haben so etwas noch nie erlebt“, betont Lifka. Und Joachim Wetzky ergänzt: „Die Klienten vertrauen uns und lassen sich darauf ein.“

Sehr intensiv erleben die Verantwortlichen zudem die therapeutische Kindergruppe mit sechs Kindern, die sie zusammen mit einer Kunsttherapeutin anbieten. Verhielten sich die Kinder vor der Flucht eher wie wilde Vögel, seien jetzt viele auffällig ruhig und in sich gekehrt. Was nachvollziehbar ist, wenn man weiß, was diese in Flüchtlingscamps alles sahen. Wie soll eine Kinderseele damit fertig werden, wenn es sieht, wie jemand im Feuer stirbt oder vor ihren Augen vergewaltigt wird? Gerade in solchen Kontexten ist die Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Institutionsambulanz Waldkraiburg des kbo-Heckscher Klinikums unter der Leitung von Oberarzt Thomas Schunck dringend erforderlich, betont Lifka, und die sei „einfach toll“.

Das Gespräch mit den Verantwortlichen des TAFF-Projekts verdeutlicht, wie intensiv sie sich für diese Aufgabe einsetzen und wie wichtig es ist, dass die erforderlichen Rahmenbedingungen passen. Mit dem Bayerischen Integrationspreis ausgezeichnet zu werden, bedeutet ihnen nicht nur Anerkennung und zusätzliche Motivation, sondern gibt ihnen vor allem Hoffnung, dass das Projekt auch künftig finanziell gefördert wird. Zugleich passt das Motto des Bayerischen Integrationspreises 2022 perfekt zu TAFF: „Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!“

 

 

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