„Kleine Igel schlafen gern“ – Förderzentrum gestaltet kreativen Vorlesetag
Am bundesweiten Vorlesetag besuchen Menschen aus allen Lebensbereichen Schulen, um Kindern vorzulesen. Ziel ist es, Freude am Lesen zu wecken und ein öffentliches Zeichen für dessen Bedeutung zu setzen. Aus diesem Anlass organisierte das Wilhelm-Löhe-Förderzentrum Traunreut der Diakonie ein kreatives und vielfältiges Programm, das alle Schülerinnen und Schüler in seinen Bann zog.
Gleich in der ersten Stunde am Morgen zeigt Ulla Zimmermann, wie sich auch geistig beeinträchtigte Kinder für Märchen begeistern lassen, wenn die Erzählung auf ihre Wahrnehmungsfähigkeit abgestimmt ist und alle Sinne anspricht. Sie erzählt die Geschichte vom Lebkuchenmann, der verschiedene Abenteuer erlebt. Doch zuerst dürfen die Kinder den gebackenen Lebkuchenmann anfassen, seinen Duft wahrnehmen, Fragen stellen und eigene Erfahrungen schildern. Dann beginnt Zimmermann mit der Erzählung. Sie wählt jedes Wort bewusst und spricht mit fester Stimme sowie ausdrucksstarker Mimik und Gestik. Mithilfe kindgerechter Illustrationen, die sie passend zur Handlung in einen goldenen Bilderrahmen schiebt, gewinnt sie sofort die Aufmerksamkeit der Kinder. Diese hängen an ihren Lippen, erleben die Geschichte intensiv mit, stehen immer wieder auf, deuten auf die Bilder und benennen voller Begeisterung, was sie sehen. Am Ende erhält jedes Kind sogar einen eigenen Lebkuchenmann.
An vielen weiteren Stationen bestätigt sich der erste Eindruck: Das Programm ist umfangreich und hervorragend gewählt. Musikpädagogin Ulrike Eiring, die an der Traunsteiner Musikschule Klavier und Blockflöte unterrichtet, arbeitet besonders gern mit kleinen Kindern. Sie verbindet Musik, Gesang und Tanz, als sie die Geschichte „Kleine Igel schlafen gern“ erzählt. Auch der kleine Igel, der sich verlaufen hat, erlebt bei seiner Wanderung durch unterschiedliche Landschaften viele spannende Abenteuer. Fast jedes Ereignis ist mit einem bekannten Kinderlied verknüpft, das an der passenden Stelle gemeinsam gesungen wird. Und auch beim Wandern durch die verschiedenen Orte dürfen die Kinder aktiv teilnehmen und die Geschichte mit allen Sinnen erleben. So spüren sie, wie stachelig ein Igel ist, klappern Hölzchen bei der Mühle am Bach, singen „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, wenn es schneit, und werfen sich auf Kommando auf den Boden, sobald ein Fuchs durchs Gelände schleicht.
Ein paar Klassenzimmer weiter liest Autor Robert Heigl aus seinem Kinderbuch „Pusteblume“ vor. Darin geht es um einen Schirmflieger, der so gerne an einem geeigneten Ort landen und Wurzeln schlagen möchte, um zu einem blühenden Löwenzahn zu werden. Als ihm dies endlich gelingt und im Laufe der Zeit daraus neue Schirmflieger entstehen, beginnt der Kreislauf des Lebens von Neuem.
Auch Kinderbuchautorin Franziska Frey gewinnt die Aufmerksamkeit der Stütz- und Förderklasse mit ihren beiden Büchern „Schwein im All – Roboter im Stall“ und „Super Pups – der Held mit dem Raketen-Po“. Die von ihr selbst verfassten und illustrierten Geschichten zeigen in ausdrucksstarken Bildern, in Reimform und auf humorvolle Weise, dass man sich nicht automatisch versteht, nur weil man dieselbe Sprache spricht, oder dass ungewöhnliche Fähigkeiten leicht zu Missverständnissen und Späßen führen können.
Eine besonders schöne Idee zum Vorlesetag hatte Verena Penn, die eine Gruppe der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) betreut. Sie regte an, dass Schülerinnen und Schüler der achten Klasse im Deutschunterricht Weihnachtsgeschichten besprechen und diese am Vorlesetag den Kleinen aus der SVE vorlesen. Das Ergebnis berührte sie sehr: Aufgeregt, etwas nervös, aber zugleich behutsam und fürsorglich nahmen die älteren Schülerinnen und Schüler ihre Aufgabe an. Und die Kleinen reagierten begeistert auf die liebevolle Zuwendung der Großen. „Normalerweise würden sich die beiden Gruppen im Alltag kaum begegnen, doch in diesem Setting entstand eine richtiggehend herzliche und berührende Situation“, freut sich Penn.
Diese Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus dem umfangreichen Programm des Vorlesetags am Wilhelm-Löhe-Förderzentrum Traunreut. Weitere Lehrkräfte und auch Schülerinnen der Partnerklasse am Gymnasium beteiligten sich mit eigenen Vorleseaktionen. Zum Abschluss der Aktion ist zudem ein Besuch an der Quelle all des spannenden Lesestoffs geplant: Die Schülerinnen und Schüler besichtigen die Stadtbücherei. Denn der Vorlesetag soll nicht nur ein besonderes Erlebnis bieten, sondern vor allem ein Anstoß sein, sich dauerhaft für die wunderbare Welt des Lesens und der Geschichten zu begeistern, die sich in unzähligen Büchern entdecken lassen.






