„Sieh mich wenigstens an“ – Herbstsammlung der Diakonie im Dekanat Traunstein für die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit eröffnet
„Manche Gesichter vergisst man nicht“, sagte Oberkirchenrat Stefan Blumtritt zu Beginn seiner Predigt beim Gottesdienst am Diakoniesonntag und erzählte von einem Mann in der Münchner Fußgängerzone. Dieser saß Tag für Tag am selben Platz zwischen den hellen Schaufenstern unter den Arkaden. Wie so viele andere versuchte er, mit dem Klappern seiner wenigen Münzen im Becher Aufmerksamkeit zu erregen. Eines Tages stellte er ein Schild neben sich auf, auf dem stand: „Wenn Du mir schon nichts geben kannst, dann sieh mich wenigstens an!“
Mit eindrücklichen Worten beschrieb Blumtritt, wie schnell eine Abwärtsspirale in Gang kommen kann. „Wer seine Arbeit verliert, psychisch belastet ist oder seine Partnerschaft verliert, kann auch im reichen Deutschland schneller als gedacht auf der Straße landen.“ Armut, so Blumtritt, sei himmelschreiend und in jeder Gesellschaft gegenwärtig. Umso wichtiger sei es, mit offenen Augen hinzusehen und auch das wahrzunehmen, was Auge und Verstand oft nicht erfassen wollen. Erst das bewusste Hinsehen lasse uns erkennen, dass der Bettler unter den Arkaden nicht nur ein Bettler ist, sondern ein Mensch mit einem Namen.
Mit Verweis auf Jesu Worte „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ richtete Blumtritt den Blick auf die Diakonie – den sozialen Arm der Kirche. Er zeigte auf, wie wohltuend, ermutigend und heilsam es für von Armut, Not oder Leid betroffene Menschen sein kann, „wenn uns endlich einer ansieht“.
Beispiele aus der KASA-Beratung
Diese Erfahrung schilderten Mitarbeitende aus der Diakonie anhand konkreter Beispiele: etwa von einer 80-jährigen Dame, die von ihrer geringen Rente nicht leben kann und durch die ermutigende Beratung der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) nun endlich ergänzende Grundsicherung erhält. Oder von einem Mann, der nach seiner Entlassung aus der JVA keine Wohnung mehr hat und zunächst im Freien schlafen muss. Dank der KASA erhielt er einen „Sheltersuit“ – eine Kombination aus Schlafsack und wärmendem Anzug – und will nun mit Hilfe der Beratung seine Situation ordnen. Auch ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, das durch Wohnungskündigung und eine plötzliche Brustkrebserkrankung der Mutter in Not geraten ist, findet durch die KASA Hilfe und Begleitung.
„Wussten Sie, dass statistisch gesehen jeder Sechste in unserem Land von Armut bedroht ist?“, fragte Andreas Karau, Vorstandssprecher des Diakonischen Werks Traunstein. Er berichtete, selbst erfahren zu haben, wie es ist, wenn das Geld knapp wird und das Haus kalt bleibt. Die Diakonie setze sich mit der KASA-Arbeit für Menschen in schwierigen Lebenslagen ein. Karau freute sich, dass die Herbstsammlung vom 13. bis 19. Oktober diesem wichtigen Dienst zugutekommt, und warb um Spenden.
Spendenkonto: DE64 7105 2050 0040 7535 92, BYLADEM1TST, H25-ZS.
Gemeinsam den Glauben und das Leben stärken
Dekan Peter Bertram erinnerte an die Gründung des evangelisch-lutherischen Dekanats Traunstein am 16. Oktober 1948 und der Diakonie eine Woche später. „Seit Jahrzehnten sind Kirche und Diakonie in enger Verbundenheit miteinander unterwegs“, sagte Bertram. Gemeinsam wollen sie den Glauben und das Leben stärken und einen geistlichen wie sozialen Beitrag leisten.
Für die festliche musikalische Gestaltung des Gottesdienstes sorgten die Kantorei Burghausen/Burgkirchen, die Kirchenchöre aus Kastl und St. Pius Burgkirchen unter der Leitung von Gudrun Brust, dem Posaunenchor Traunstein sowie Matthias Bertelshofer an der Orgel.